Ich wurde vom Blitz getroffen
Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Es ist schon eine Weile her, aber diesen Moment werde ich wohl nie vergessen…
Es war Hochsommer im Wettersteingebirge. Als junger Bergführer und Rettungssanitäter, führte ich eine kleine Gruppe von 8 Medizinstudenten, die sich intensiv mit der behelfsmäßigen Bergrettung und den dazugehörigen Notfallmaßnahmen im Gebirge vertraut machen wollten.
Unterhalb der Alpspitze fand ich ein super Ausbildungsgebiet für das Thema Erste Hilfe bei Notfällen im Gebirge. Vorausgegangen waren zwei Vorlesungsabende bei der ZHS in München. Die Teilnehmer wussten also, was Sie erwarten würde. Doch keiner dachte in diesem Moment daran, dass wir einen echten Notfall erleben könnten.
Wir wollten also ein realistisches Szenario für die bereits erlernten Notfallmaßnahmen im Gebirge, die ich im Hörsaal vorab aufgezeigt hatte. Notruf absetzen, stabile Seitenlage, Schocklage, behelfsmäßige Trage zum Abtransport von Verletzen, Versorgung von Knochenbrüchen, Reanimation und Erste Hilfe Maßnahmen nach einem Blitzunfall. Kein so einfaches Unterfangen, wenn man all die Maßnahmen auf über 2.000 Meter durchführen will.
An diesem Tag war es auch hier oben schon recht warm und wir hatten einen wunderschönen bayerischen Himmel in blauweißen Farben über unseren Köpfen. Der Wetterbericht war hervorragend und wir gingen los.
Gegen Mittag kamen wir unterhalb der Alpspitze in ein flaches, von großen und kleinen Felsen durchzogenes Gelände. Wir hatten schon einigen Übungen hinter uns, als plötzlich eine riesige dunkle Wolke hinter der Alpspitze hervorkam. Wir konnten zusehen, wie innerhalb weniger Minuten die Wolke steil nach oben in den Himmel schoss und es unmittelbar zu regen begann. Im Tal Richtung Garmisch war es jedoch komplett trocken und die Sonne schien mit voller Kraft bis hinaus ins Unterland. Wir dachten also, „das wird gleich vorbei sein“, und suchten unterhalb einer Holzhütte Schutz vor dem Regen. Diese Hütte war in ca. 1 Meter Höhe an einen riesigen Felsbrocken montiert, so dass man sich darunter sehr gut verstecken konnte.
Eine Holzhütte als Unterschlupf
Ich ließ alle Teilnehmer in diesen Unterschlupf hineinkriechen und setze mich zum Schluss direkt an die Eisenleiter, die hinauf zur Hüttentür führte.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wahrgenommen hatte, war, dass von dieser Hütte aus ein Sprengkabel hinauf zur Alpspitze führte.
Nur wenige Minuten in unserem Unterschlupf sitzend, nahmen wir das leise Grollen eines Gewitters war.
Der Blitz ging durch meinen Körper
Plötzlich gab es einen lauten Knall und ehe man auch nur blinzeln konnte, wurde ich aus meiner Deckung zwei bis drei Meter auf die Wiese hinauskatapultiert.
Jetzt war guter Rat teuer. Was tun? Ich für meinen Teil war bewusstlos im Gras gelegen.
Als ich zu mir kam, knieten einige Kursteilnehmer neben mir und fragten mich, ob alles ok sei. Meine Aussprache war nicht wirklich klar und deutlich, aber ich konnte mich verständigen. „Alles gut soweit, ich hab alles im Griff“, sagte ich. Selbstverständlich wussten die angehenden Medizinstudenten, dass ich nichts mehr im Griff hatte.
Die Teilnehmer untersuchten mich sofort nach Verbrennungen oder anderweitigen Verletzungen, aber ich hatte Glück. Ich fühlte mich nur sehr schwach und benommen und mein Körper kribbelte überall, als hätte ich ein Brennesselbad genommen.
Ein Notruf war hier oben nicht möglich, da es keine Netzabdeckung gab. Also machten wir uns nach einer halben Stunde startklar und testeten, ob ich gehen konnte. Gestützt durch die Teilnehmer wanderten wir im Schneckentempo auf dem gut befestigten Wanderweg in Richtung Seilbahn. Unten im Tal angekommen, brachten sie mich direkt in das Klinikum Garmisch, wo ich eine Nacht zur Beobachtung bleiben musste.
Was für ein Glück ich doch hatte
Der Blitz hatte am Gipfelkamm eingeschlagen, sich über das Sprengkabel hinunter zur Hütte und durch die Eisenleiter, an die ich angelehnt war, in die Erde entladen.